Das Handwerk und seine Attraktivität

Kürten (ots) ISOTEC-Handwerkskompass zeigt Stärken, Defizite und Lösungsansätze

Das Handwerk verliert kontinuierlich an Attraktivität. Der Fachkräftemangel nimmt zu, immer weniger junge Menschen entscheiden sich für eine Handwerksausbildung. Der neue ISOTEC- Handwerkskompass, vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW consult) erarbeitet, zeigt, wo das Handwerk stark ist, wie aufgeschlossen Jugendliche ihm gegenüberstehen – und sich dennoch mehrheitlich gegen einen Handwerksberuf entscheiden. Betriebe, Politik und Verbände sind gefordert, damit das Handwerk in Deutschland eine Renaissance erlebt, seinen Beitrag bei der Umsetzung der Megatrends demographischer Wandel, Energiewende sowie Digitalisierung leisten und den Standort Deutschland sichern kann.

Horst Becker Gründer von ISOTEC

„Mit dem ISOTEC-Handwerkskompass verfolgen wir das Ziel, dass das Handwerk seine frühere Attraktivität zurückgewinnt“, so fasst Horst Becker, Inhaber und Geschäftsführer von ISOTEC, die Studie zusammen. „Der Handwerkskompass zeigt auf, dass viele Potenziale ungenutzt und die besonderen Stärken des Handwerksberufs zu wenig kommuniziert und herausgestellt werden. Wir zeigen auf, wo Chancen liegen und was Handwerksbetriebe tun können, um ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern und worauf es den wahren Machern von Morgen besonders ankommt.“

Pressekonferenz – ISOTEC-Handwerkskompass 2023

Das Handwerk und seine volkswirtschaftliche Bedeutung

Feststeht: Das Handwerk ist eine wichtige Stütze der deutschen Wirtschaft. Etwa eine Million Handwerksbetriebe beschäftigen im Jahr 2022 rund 5,61 Millionen Menschen und damit 12,3 Prozent aller Erwerbstätigen. Dabei stellt das Bauhaupt- und Ausbaugewerbe, auf das sich der ISOTEC-Handwerkskompass konzentriert, fast die Hälfte aller Unternehmen im Handwerk und beschäftigt 52 Prozent aller Lehrlinge.

ISOTEC-Handwerkskompass „misst“ Attraktivität

ISOTEC-Handwerkskompass 2023 Titelseite

Für die vorliegende Untersuchung zur Attraktivität des Handwerks wurden vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW consult) im Auftrag des Sanierungsspezialisten ISOTEC 248 Unternehmen des Bauhaupt- und Ausbaugewerbes befragt. Außerdem standen 214 Jugendliche im Alter von 16 bis 25 Jahre Rede und Antwort. Die Befragungen fanden in den Monaten Mai und Juni 2023 statt.

Sicht der Jugendlichen auf das Handwerk

Bereits bekannt: Im Handwerk herrscht akuter Fachkräftemangel. Seit 2015 gibt es hier mehr offene Stellen als arbeitslose Handwerker. Jede sechste Lehrstelle blieb im Jahr 2022 unbesetzt. Dabei können sich laut ISOTEC-Handwerkskompass 29,4 Prozent der befragten Jugendlichen eine Karriere im Handwerk vorstellen, 9 Prozent sind zumindest unentschlossen. Das tatsächlich aber nur knapp jeder Zehnte (9,8 Prozent) der Befragten im Handwerk berufstätig ist, zeigt eine Diskrepanz zwischen der positiven Einstellung und dem tatsächlichen Verhalten. Woran liegt das?

Stärken bei Wirksamkeit und Stolz auf das Geschaffene

Als ausgesprochen positiv bewerten Jugendliche, dass handwerkliche Berufe besonders sinnhaft sind und durch sie etwas Konkretes geschaffen wird, worauf die Ausführenden stolz sein können. Sie bescheinigen ihnen darüber hinaus eine „hohe Wirksamkeit“, indem Kunden konkret geholfen oder durch die eigene Arbeit deren Lebensqualität erhöht wird. Aus Sicht der Unternehmen werden diese Aspekte auch in hohem Maße erfüllt (über 80 Prozent). Außerdem heben neun von zehn der im Handwerk Tätigen Vertrauen, Teamwork, Arbeitsplatzgestaltung und Gesundheit, Arbeitsbedingungen am Einsatzort, die Verwendung moderner Werkzeuge und einen konsequenten Arbeits- und Gesundheitsschutz als besonders attraktiv hervor. Auch sieht sich das Handwerk in Konkurrenz zu Industriebetrieben als stark, wenn es um einen sicheren Job (91 Prozent) und die Förderung leistungsstarker Mitarbeiter (81,3 Prozent) geht. Sie halten dies für wesentliche Stellschrauben, um berufliche Karrieren im Handwerk zu gestalten und für mehr Attraktivität zu sorgen.

Jugendliche sehen Defizite bei Gehalt und Karriere

Defizite sehen die Jugendlichen vor allem bei den Punkten Gehalt und – anders als die befragten Handwerker selbst – bei der Karriere. Weit oben auf der Wunschliste der Jugendlichen steht nämlich ein „gutes“ Einkommen (71,5 Prozent). Dieses beträgt im Handwerk für einen Gesellen im Durchschnitt 3.100 Euro brutto, Meister verdienen etwa ein Drittel mehr. Gepaart mit aus ihrer Sicht vermeintlich geringeren Karrieremöglichkeiten als etwa in Industriebetrieben, ist das für die befragten Jugendlichen aber offensichtlich zu wenig. „Hier fällt die tatsächliche gegenwärtige Umsetzung in den Betrieben hinter die grundsätzliche Bedeutung für die Attraktivität im Handwerk zurück“, so der ISOTEC-Handwerkkompass. Rund 80 Prozent der Betriebe sehen jedoch in einer Vergütung über dem Branchendurchschnitt, Gehaltsteigerungen je nach Erfahrung und Verantwortung sowie finanziellen Sonderleistungen wie z.B. Urlaubsgeld noch Potenzial zur Attraktivitätssteigerung.

Handwerksunternehmen: Fachkräfte gewinnen und binden

Die Autoren des ISOTEC-Handwerkskompasses resümieren: „Das Handwerk und seine Betriebe stehen unter großem Druck, für Attraktivität zu sorgen und adäquate Strategien zur Fachkräftegewinnung und -sicherung zu etablieren.“ Dies gilt z.B. bei der Gewinnung von Auszubildenden, Gesellen, Meistern und Selbstständigen, der Einführung eines trialen Studiums (Ausbildung-Meisterbrief-Studium) oder der Digitalisierung zum Handwerk 4.0, den einen Königsweg dahin sehen sie allerdings nicht.

Handlungsbedarf bei Betrieben, Politik und Verbänden

In den Betrieben, insbesondere den kleineren, sind viele Attraktivitätslücken auf fehlende oder ausbaufähige Managementsysteme zurückzuführen. Laut ISOTEC-Handwerkskompass werden dadurch bereits vorhandene Attraktivitätsaspekte wie die Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit nicht überzeugend kommuniziert, wozu sich niederschwellige Kommunikationswege wie die Social-Media-Kanäle der Betriebe besonders eignen würden. Dazu zählen u.a. die Themen Gehalt, Betriebs- und Führungskultur, Arbeitsbedingungen, Arbeitsplatzgestaltung und betriebliche Karriereoptionen.

Um das Handwerk für Auszubildende, Gesellen, Meister und Selbständige wieder attraktiver zu machen, ist auch die Politik für die Verbesserung der Rahmenbedingungen gefragt. Der ISOTEC- Handwerkskompass empfiehlt daher den Abbau von Bürokratie, steuerliche Entlastungen, Förderung der Selbstständigkeit und Vergünstigungen insbesondere für Auszubildende analog zu denen für Studierende an.

Nicht zuletzt sollten Betriebe, Verbände und Politik vernetzt bei Nachwuchskräftegewinnung, Digitalisierung, Kommunikation und Imageförderung vorgehen – mit Medienkampagnen und Social-Media-Kommunikation. Nur so ließen sich Einblicke in den Berufsalltag, das Aufgabenspektrum und das Potenzial des Handwerks vermitteln, um Nachwuchskräfte zu gewinnen und zu binden.

Den vollständigen ISOTEC-Handwerkskompass können Sie kostenlos downloaden unter www.isotec-handwerkskompass.de/pressekonferenz.